
Ende März trafen wir uns an einem sonnigen Samstagvormittag am Denkmal Friedrich Wilhelm II. auf dem Schulplatz der Fontanestadt Neuruppin, um mit unserem Stadtführer Axel Hartung auf Entdeckungsreise zu gehen. Nach dem verheerenden Stadtbrand von 1787 befahl Friedrich Wilhelm II. den Wiederaufbau der Garnisonsstadt Neuruppins aus der Staatsschatulle zu finanzieren. In weniger als 20 Jahren entstand die Stadt neu – mit breiten Straßen, zweietagigen Häusern mit kleinen Gärten und stattlichen Plätzen. Mit dieser für die damalige Zeit großzügigen Bauweise sollte verhindert werden, dass bei einem erneuten Brand wieder große Teile der Stadt vernichtet würden. Das Gebäude des Alten Gymnasiums, welches den Schulplatz, dem ehemaligen „Paradeplatz“, noch heute dominiert, erhielt damals den Grundriss eines Schlosses und wurde im Zentrum der Stadt errichtet, um den Wert der Bildung zu unterstreichen. Auf der anderen Seite des Platzes befand sich das Druckereihaus der Neuruppiner Bilderbögen, die die Stadt im 19. Jahrhundert über die Landesgrenzen hinaus bekannt machten. Heute ist dort eine kleine Einkaufspassage, in der als Reminiszenz an die damalige Zeit einige Abzüge alter Bilderbögen zu bewundern sind.
Dann verließen wir den Schulplatz, um einen Blick auf das Geburtshaus von Theodor Fontane zu werfen. Sein Vater der Apotheker Louis Henry kaufte das Haus mit der Löwenapotheke günstig, musste es aber sieben Jahren später wegen Spielschulden verkaufen. Die Löwenapotheke gibt es bis heute.
Hinter der entwidmeten Pfarrkirche Sankt Marien entdeckten wir eine hundertjährige Eiche, die ihrem Alter entsprechend eine Brille trug (schaut nur genau hin).
Am Neuen Markt, den einstigen Fisch- und Wochenmarkt und vor dem Stadtbrand auch die Richtstätte der Stadt mit Galgen, stehen noch einige alte Fachwerkbauten, die das Feuer verschont hatte. Der Baumeister Karl-Friedrich Schinkel verbrachte im dortigen Predigerwitwenhaus einige Jahre seiner Kindheit. Heute ist der Neue Markt ein großer Kinderspielplatz. Wo andere Städte Parkplätze anlegen, sind in Neuruppin auf einigen zentralen Plätzen Spielplätze und grüne Oasen entstanden, die diese Orte lebendig machen.
Nach einem kurzen Abstecher zum Ruppiner See mit dem Parzival Denkmal, bogen wir in die mittelalterliche Siechenstraße ein. Dort befindet sich die Hospitalkapelle St. Lazarus (Siechenkapelle), die 1491 entstand und zur Pflege hilfebedürftiger Neuruppiner Bürger genutzt wurde. Die Eingänge zur Kapelle begeisterten uns mit ihren reichen Bauschmuck, der ein wunderbares Beispiel der spätgotischen norddeutschen Backsteingotik ist. Ende des 17. Jahrhunderts wurde dahinter das Up-Hus, eins der ältesten Fachwerkhäuser Neuruppins, und das Hospitalgebäude erbaut. Heute wird das Ensemble als Hotel und Restaurant genutzt.
Zum Abschluss unseres Rundgangs ging es zum Wahrzeichen der Stadt, der Klosterkirche St. Trinitatis. Vor der Kirche bekamen wir - durch einige von unserem Stadtführer kurzweilig vorgetragenen Mirakelerzählungen - einen wundersamen Einblick in das Leben des Gründers des Dominikanerklosters Wichmann von Arnstein. Ob er nun tatsächlich über das Wasser des Ruppiner Sees gegangen ist oder ein Wels auf seinen Befehl hin freiwillig aus dem See in die Pfanne des Klosterkochs gesprungen ist, als die Vorräte der Klosterküche nicht reichten, mag jeder für sich selbst entscheiden. Vor seinem Tode 1270 soll Pater Wichmann bestimmt haben, dass er in einen gläsernen Sarg gebettet und dieser noch in einen silbernen gesetzt werden sollte. Auf sein Grab sollte eine Linde gepflanzt werden und erst wenn diese vergangen sei, könne man sein Grab öffnen. Der über 700 Jahre alte Baum, mittlerweile hohl, nachdem er von einem Blitz getroffen wurde, steht immer noch, aber ob der Pater dort wirklich ruht, wer weiß. Fast wäre der Besuch der Kirche in Wasser gefallen, da dort Vorbereitungen zu einer Veranstaltung liefen, aber mit etwas Überredungskunst und dem Versprechen leise zu sein, durften wir dann doch eintreten. Um 1246 begann in mehreren Etappen der Bau der Kirche, die ab 1836 nach Plänen Karl Friedrich Schinkels umfangreich restauriert wurde. Die ca. 63 Meter hohen Türme kamen aber erst 1907 hinzu. Wir erklommen einen der Kirchtürme über eine schmale Wendeltreppe. Oben wurden wir mit einem Blick über die Seenlandschaft und die Altstadt belohnt. Wer nicht mit nach oben wollte, erkundete das Mittelschiff der Kirche mit seiner Zwillingsorgel oder genoss in einer Kirchenbank das Farbspiel, das die einfallende Frühlingssonne auf die Backsteine zauberte.
Die zwei Stunden waren wir im Flug vergangen. Wir haben nur einen kleinen Teil dieses wunderschönen Städtchens gesehen, aber es muss ja nicht der letzte Besuch gewesen sein.
Textfoto: Verena Weller
Zwei Fotos in der Reihenfolge von Annemarie Wilke, Simone Neumann, Michael Formell, Pepita Richter, Reinhard Musold, Gunter Sachse, Gaby Winter, Renate Lau, Olaf Ahlberg, Katja Boll, Rüdiger Hille, Wolfgang Hahn, Verena Weller
Text: Gaby Winter
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